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Traumasensible Begleitung im Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt
Eine traumasensible Begleitung kann dich unterstützen, dass du die Geburt erlebst die du dir wünscht. Durch traumasensible Begleitung bereits vor der Geburt und in der Schwangerschaft kannst du dir die Chance erhöhen, dass du für die Geburt gut vorbereitet bist.
Traumasensibilität vor der Schwangerschaft
Schon vor der Geburt kannst du dich auf den Weg machen und deine „alten“ Verletzungen anschauen. Blicke nach vorne. Jede verheilte Narbe ist eine weniger, die sich extrem in der Zeit der Schwangerschaft, Geburt und ersten Zeit mit deinem Baby melden wird. Das ist kein: wenn… dann, sondern ein, es macht Sinn und es kann sich dadurch positiv auf deine Zukunft auswirken. Vor allem besteht dann weniger die Möglichkeit, dass du dein erlebtes Trauma auf dein Kind überträgst, bzw. weitergibst (Stichwort: Transgenerationales Trauma).
Du kannst auch schon vor der Schwangerschaft deinen Blick auf Schwangerschaft und Geburt richten. Überlege dir: was bedeutet es für dich schwanger zu sein. Was denkst du, welche Trigger auf dich zu kommen? Was brauchst du an Skills dafür, dass du gut mit diesen zurecht kommst.
Mit einer Therapeut:in kannst du auch dein Trauma soweit angehen, dass es dich nicht mehr belastet. Klar kann es passieren, dass du trotzdem durch Schwangerschaft, Geburt und erste Zeit mit deinem Baby wieder getriggert wirst. Doch du weißt besser, wie du damit umgehen kannst, denn du hast es ja bereits einmal geschafft.
Begleitung in der Schwangerschaft
Bereits hier kannst du dir Gedanken machen, wie du dich während der Schwangerschaft begleiten lassen möchtest und welche Optionen du hast:
- möchtest du dich nur durch deine Gynäkolog:in während deiner Vorsorge begleiten lassen
- wählst du das Wechselmodell zwischen Gynäkologe und Hebamme (hier kannst du auch schon mal Vortesten, wie dein Gynäkologe dazu steht und ob es Sinn macht nicht jetzt schon zu jemandem zu wechseln, der dich selbst entscheiden lässt, wie du die Vorsorge wünscht. Das ist dein Recht!)
- möchtest du die Vorsorge nur bei der Hebamme in Anspruch nehmen? Was sagt dein Gynäkologe dazu, bzw. welche Vorgaben macht da deine Hebamme, die du dir vorstellen könntest.
Hebammenversorgung
Außerdem kannst du schauen, welche Hebammen es in deinem Umkreis gibt und welchen Geburtsort du dir vorstellen kannst. Je nachdem wie die Hebammenversorgung in deiner Region aussieht kann es Sinn machen, dich direkt mit positivem Schwangerschaftstest bei deiner Wunschhebamme zu melden. Das gleiche gilt, wenn du z.B. ins Geburtshaus, zu Hause oder mit einer Beleghebamme im Krankenhaus gebären möchtest.
Traumasensible Begleitung in der Schwangerschaft
Auch in der Schwangerschaft ist es noch nicht zu spät mit traumasensiblen Gesichtspunkten auf deine Schwangerschaft und Geburt zu schauen. Wie möchtest du die Vorsorge gestalten? Sind die Vorsorgen für dich so ok oder triggern sie dich in einer Form. Musst du diese „durchhalten“ oder kannst du diese ablehnen, denn das ist dein Recht. Lass dir erklären, ob es medizinisch notwendig ist diese oder jene Untersuchung durch zu führen. Du kannst dich auch bei weiteren Stellen informieren. Außerdem lässt sich auch eine Untersuchung, sofern sie nicht direkt medizinisch notwendig ist verschieben. Klar wollen sie gerne so viel wie möglich in einem Termin erledigen. Doch macht es für dich nicht so viel Sinn, wenn du z.B. dissoziierst oder tagelang danach so neben dir stehst.
VRANNI-Methode
Überlege dir gut, ob du dieser oder jener Untersuchung zustimmen musst zu diesem Zeitpunkt. Nicht erst während der Geburt kann dir die VRANNI- Methode von Greenbirth e.V. helfen eine gute Entscheidung zu treffen.
VRANNI
V = Vorteile = Welche Vorteile hat es, wenn die vorgeschlagene Maßnahme angewendet wird?
R = Risiken = Welche Risiken bestehen?
A = Alternativen = Gibt es Alternativen? Welche?
N = Handelt es sich um einen Notfall?
N = Nichtstun = Was passiert, wenn nichts unternommen wird?
I = Intuition = Was sagt das Bauchgefühl der Gebärenden/Eltern?
Vaginale Untersuchung, Ultraschall und CTG lassen sich u.a. so besprechen.
Sollte es medizinisch notwendig sein, ist es sinnvoll deine Skillsammlung so parat zu haben, dass du etwas davon anwenden kannst. Zudem macht es Sinn, dass deine Hebamme und deine Gynäkolog:in über deine frühen Erfahrungen sexueller Gewalt bescheid wissen. Somit steigt die Chance, dass du traumasensibel begleitet wirst. Sollte das nicht der Fall sein, hast du immer noch die Möglichkeit zu wechseln. Klar ist das nicht immer so einfach, aber bist du bereit auch in deiner Schwangerschaft wieder auszuhalten, da es ja schon irgendwie geht? Du bist es Wert, dass du traumasensibel und so behandelt wirst, wie du es brauchst.
Traumasensible Begleitung während der Geburt
Auch gerade während der Geburt macht eine traumasensible Begleitung Sinn. Hier kannst du dich im Vorfeld mit einem Geburtsplan auf deine Wünsche und Vorstellungen vorbereiten. Solltest du schon Wissen, dass du in ein Krankenhaus gehst macht es Sinn, dass du dich mit einer Patientenverfügung auseinandersetzt. Bei Doris Lenhard, kannst du dir dazu eine Vorlage herunter laden und für dich bearbeten.
Geburtsplan
Ich selbst arbeite gerne mit Geburtsplänen. Ja das Wort ist nicht so Ideal, da eine Geburt nicht planbar ist. Es wissen jedoch viele, was damit gemeint ist. Hier stehen deine Wünsche und Vorstellungen deiner Geburt im Mittelpunkt. Du kannst darstellen, warum du dir eine traumasensible Begleitung während deiner Geburt wünscht bzw. einforderst, um gut zu gebären. Bitte sei dir jedoch bewusst, dass einige Hebammen sich durch einen Geburtsplan eingeschränkt fühlen und diesen bewusst nicht beachten. Du kannst ihn jedoch zur Kommunikation gut einsetzen, vielleicht sogar ohne zu benennen, dass du einen erstellt hast oder es bewusst einsetzen, um zu entscheiden, ob das der richtige Ort für deine Geburt ist. Denn wenn sie schon im Vorgespräch negativ darauf reagieren, dass du dir deine eigenen Gedanken machst, ist es vielleicht nicht der richtige Ort für deine Geburt.
Außerdem kannst du im Vorfeld auch noch mehr darauf schauen, ob deine Wünsche an dem Ort auch umsetzbar sind. Arbeiten z.B. nur Gynäkologen in deiner Wunschklinik, macht es wenig Sinn, dir nur Frauen während der Geburt zu wünschen.
Doch schauen wir nochmal konkret auf deine Geburt, denn die vorangegangenen Aspekte solltest du ja schon vorher klären, bevor du unter Wehen ggf. zu deinem Geburtsort fährst.
Während der Geburt kannst du auch mit der VRANNI-Methode abklären, ob die Interventionen, die an dich herangetragen werden für dich in dieser Situation Sinn macht. Du darfst stoppen und fragen, du darfst eine Begleitperson bitten, für dich einzustehen und die Kommunikation mit dem Geburtshilfeteam zu übernehmen.
Solltest du ins Krankenhaus gehen, macht es Sinn, dir eine Beleghebamme an die Seite zu holen, die dich 1:1 während deiner Geburt begleiten kann. Auch kannst du dir überlegen, ob du eine Doula an deine Seite holst.
Veränderungen durch Coronamaßnahmen
In der aktuellen Corona- Situation solltest du auch überlegen, wie du deinen Partner an deiner Seite haben kannst, wenn er nicht direkt mit in den Kreißsaal darf. Ist es über das Handy möglich im Kontakt zu sein, kannst du ein Shirt deines Partners mitnehmen oder eine Musik die euch verbindet. Klar ist es nicht das selbe und doch kann es dich während deiner Geburt unterstützen. Du darfst da kreativ sein.
Auch kommt auf dich zu, dass es in einigen Krankenhäusern vorgeschrieben ist, mit Maske zu entbinden. Hierzu hat Mother-Hood e.V. eine Menge guter Sachen geschrieben und auf deren Website kannst du aktuelle Informationen zur Coronasituation während der Geburt nachlesen. Niemand kann dich zwingen eine Maske während der Geburt zu tragen und aus medizinischer Sicht macht es auch zur Geburt keinen Sinn.
Nach der Geburt, Wochenbett und erste Zeit mit Baby
Auch nach der Geburt kannst du auf eine traumasensible Begleitung achten, denn auch hier gibt es Möglichkeiten, dass du getriggert wirst. Ich finde die VRANNI-Methode ganz wunderbar und du kannst sie auch hier immer noch anwenden. Auch später, wenn es um dich oder dein Baby geht, kannst du diese Methode immer wieder anwenden, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
Zudem ist es an dir zu entscheiden, welche Untersuchungen, Medikamente und Interventionen bei dir und deinem Baby vorgenommen werden dürfen (ich lasse hier den Ernstfall in dem es um Leben und Tod geht aus, denn das sollte differenzierter betrachtet werden. Auch in dem Fall sollte dir gut erklärt werden, was gerade gemacht werden muss bzw. warum so gehandelt wurde). Wissen ist hier in dem Fall auch Macht. Am besten setzt du dich im Vorfeld damit auseinander, welche Untersuchungen und Medikamente standartmäßig im Krankenhaus gegeben werden und entscheidest, ob du das möchtest. Ein paar Beispiele: Vitamin K-Gabe, U1, bei Untersuchungen einen Schnuller… wenn du weißt, wie das Krankenhaus vorgeht, kannst du das für dich in Ruhe entscheiden und nicht n einer Situation in der du ggf. überfordert bist. Du kannst dir auch über Alternativen Gedanken machen.
Traumasensibel heißt auch im Wochenbett, dass du gefragt wirst, ob es in Ordnung für dich ist, dass du angefasst wirst. Das dir die Entscheidung für dich und dein Baby gelassen wird und nicht über deinen Kopf hinweg entschieden wird.
Besuch im Wochenbett
Auch darfst du entscheiden, ob jemand anderer dein Baby anfasst oder sogar auf den Arm nimmt. Du kannst das auch schon vor der Geburt mit deiner Familie kommunizieren, wie du dir das wünscht.
Solltest du das Gefühl haben, dass du übermäßig stark psychisch belastet bist nach deiner Geburt, macht es Sinn genau hinzuschauen. Aus welchen Gründen das so ist bzw. ob es erstmal keine ersichtlichen gibt. Bei Schatten und Licht e.V. findest du mehrere Fragebögen, mit denen sich das näher einschätzen lässt. Solltest du schon während deiner Schwangerschaft bedenken haben, kannst du dir die Zettel ja zur Seite legen, deinen Partner:in bitten, sie dir im Zweifel zu geben oder du sprichst deine Hebamme gezielt darauf an. Das ist natürlich auch nach der Geburt noch möglich und hier darfst du ehrlich mit dir, deiner Hebamme und deiner Gynäkolog:in sein und es ansprechen. Vielleicht macht es für dich auch Sinn schon einen Termin bei deiner Therapeutin zu vereinbaren für nach deiner Geburt, damit ein Termin steht, denn rechtzeitig absagen, weil es dir so gut geht kannst du immer.
Gewalt in der Geburtshilfe
Solltest du von Gewalt während der Geburt betroffen gewesen sein oder eine traumatische Geburt erlebt haben, dann kannst du ebenfalls mit deiner Hebamme oder Gynäkolog:in sprechen. Außerdem hast du die Möglichkeit das Hilfetelefon nach schwieriger oder belastender Geburt anzurufen.
Und nur nebenbei: Eine Depression nach der Geburt können nicht nur die Mütter entwickeln, sondern auch die Väter.
Du kannst auch für die Zeit nach deiner Geburt Wellcome in Anspruch nehmen oder dich von den Frühen Hilfen beraten lassen, wenn du Unterstützung brauchst.
Ich habe mich bewusst für eine Geburt im Geburtshaus und eine zu Hause entschieden. Das war mein Weg, um mir eine traumasensible Begleitung zu ermöglichen. Das muss nicht deiner sein. Wichtig ist, dass du deinen Weg findest. Ich begleite dich sehr gerne auf deinem Weg – egal für welchen Geburtsort du dich letztendlich entscheidest, denn du hast deine guten Gründe für deine Wahl, genauso wie ich sie hatte.
Schreib gern in die Kommentare: Was ist dir wichtig an traumasensibler Begleitung vom Kinderwunsch über Schwangerschaft und Geburt zu Wochenbett und ersten Zeit mit deinem Baby.
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